Zum besseren Verständnis der Formenvielfalt im Taiji (Tai Chi) sei hier ein kleiner Abriß aus der Geschichte eingefügt. Da es im worldwideweb aber viele gute und ausführliche Seiten gibt und man auch genügend geeignete Literatur zum Thema findet, möchte ich hier zur Erläuterung nur eine Abriß in Kurzform bringen. Sollten Sie mehr über die Geschichte wissen wollen, gebe ich gerne Literaturlisten weiter.
Zhang Sanfeng (ca. 13. – 15. Jh.), Mönch und Faustkampfspezialist soll der legendäre Begründer des Taijiquan (Tai Chi Chuan) gewesen sein und seither haben sich die verschiedensten Abarten, Variationen und Stilrichtungen herausgebildet.
Zur Erinnerung: Zhang Sanfeng soll Mönch gewesen sein in den Bergen von Wudangshan und dort soll er ausgehend von der Beobachtung des Kampfes zwischen einem Vogel und einer Schlange Spiraldynamiken, die Wirksamkeit eines kreisenden Ausweichens und das Prinzip von sich gegenseitig bedingender Härte und Weichheit (Yang und Yin) erkannt haben.
Das wir es vorliegend mit einer Legende zu tun haben, beweist der lange Zeitraum, in dem Zhang Sanfeng gelebt haben soll und verweist auf die mögliche Tatsache, dass er als Synonym für eine Reihe von Faustkampfmeistern steht, die diese Kampfkunst mehr oder weniger unabhängig voneinander entwickelten.
In den Klöstern des Wudangshan (des Wudang-Gebirges) wurden von jeher auf der Suche nach Unsterblichkeit Übungen und Techniken zur Pflege und Kultivierung der Lebensenergie Qi (Chi) und der Verlängerung des Lebens (Yangsheng) entwickelt. Taijiquan (Tai Chi Chuan) entstand aus anderen Box-/Faustkampf – Stilen unter Kenntnis und Berücksichtigung der Öffnung der Energiekanäle und Regulierung des Energie- und Blutkreislaufes.
Die Familie Chen und das Dorf Chenjiagou werden in der Folge als die Wiege des Taijiquan (Tai Chi Chuan) bezeichnet. Der Familienstil der Chen zeichnet sich durch einen fließenden Wechsel zwischen Bewegungen mit und solchen ohne Krafteinsatz aus, sowie durch Sprünge und sehr dynamische, akzentuierte Bewegungen.
Erst durch Chen Changxing (18.Jh.) wird Taiji (Tai Chi) erstmals öffentlich gelehrt. Einer seiner namhaftesten Schüler war: Yang Lu Chan. (Yang Luchan)
Yang Lu Chan war Diener bei der Familie von Chen Dehou in Chenjiagou.
Er erlernte bei Chen Changxing (einem Freund der Chen-Familie) das Taijiquan (Tai Chi Chuan) im Chenstil und wurde einer seiner besten Schüler. Nach seiner Entlassung aus dem Dienst bei Chen Dehou kam er nach Yongnian, unterrichtete dort selbst und hatte die drei Brüder der Familie Wu als Schüler.(die später für das Kreieren des Wu-Stiles verantwortlich zeichneten)
Yang Luchan ging später nach Beijing (Peking), um öffentlich zu unterrichten, modifizierte das Chen-Stil-Taijiquan (Tai Chi Chuan) und entwickelte so den Yangstil.
Folgende Geschichte las ich über Yang Lu Chan:
Eines Tages sah er wie Chen De Hu, ein Mitglied der Chen Familie einen Randalierer mühelos besiegte. Yang war beeindruckt und liess sich im Chen Haushalt als Gehilfe anstellen. Nachts beobachtete er im Geheimen wie Chen Chang Xin seine Schüler ausbildete. Schliesslich wurde auch er als Schüler akzeptiert. Nach mehreren Jahren Unterricht verliess er das Dorf der Chen, um nach Hause zrückzukehren. Dort wurde er von lokalen Boxern herausgefordert. Yang verlor den Kampf und kehrte ins Chen Dorf zurück. Nach weiteren Jahren Trainings kehrte er wiederum nach Yung Nien zurück. Dieses mal besiegte er alle lokalen Boxer. Da dieser Sieg aber nicht mühelos erreicht wurde, kehrte er ein drittes mal zum Chen Dorf zurück.Chen Chang Xin war von dem Durchhaltewillen so beeindruckt, dass er Yang das vollständige Familien- System ohne Vorbehalte lehrte. Nach 3 Jahren sagte Chen zu Yang, dass dieser nun in sein Heimatdorf zurückkehren solle, da er alles gelernt habe, was Chen zu lehren hätte.( Quelle:www.taichi-schweiz.ch)
Yang Chengfu war der Enkel von Meister Yang Luchan. Durch seinen Einfluß gab es große Veränderungen des ursprünglichen Kampfkunstsystems. Er war es, der die 85er Form des Yangstils aus einer weitaus komplizierteren Vorgängerform entwickelte. Seit 1925 lehrte Yang Chengfu öffentlich in Schanghai, jeweils auf Einladung der Kampfkunst-Schulen. Allerdings zeigte er nur die Grundtechniken in den öffentlichen Klassen - wie es den chinesischen Meistern noch heute eigen ist. Die explosiven Kraft-Techniken zu unterrichten, gab er ganz auf, auch diese werden heute nur von ganz wenigen Lehrern weitergegeben, und der wirklich gute Lehrer wird mit diesen Künsten nicht werben oder hausieren oder diese zur Selbstdarstellung nutzen. Ein guter Lehrer - damals wie heute - gibt nur soviel weiter, wie es das Verständnis des Schülers zuläßt.
Yang Chenfu lehrte ''nur'' noch, das Qi (Chi) in die Extremitäten zu lenken. Das ist eigentlich die Grundtechnik, auf der die vorgenannten Kraft-Techniken basieren. Nur wenn diese Technik 100%ig beherrscht wird, können die Kraft-Techniken korrekt ausgeführt werden. Diese innere Kraft zu kultivieren und wirklich verantwortungsbewußt anzuwenden, gelingt wohl nur wenigen. Ich selbst habe bislang nur ein einziges Mal – bei meinem ersten Taiji (Tai Chi) Lehrer - diese explosionsartige Kraft life erleben dürfen.
Yang Chengfu verfeinerte darüber hinaus die Form immer weiter. Er legte grossen Wert auf flüssiges, verwurzeltes und entspanntes Ausführen und erst wenn das gemeistert ist, ist ein Tempowechsel ohne Verlust dieser Qualität überhaupt möglich.
Auch gab Yang Chenfu die 10 Übungsprinzipien heraus, die bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben, aber bei vielen Übenden und leider auch Lehrenden in Vergessenheit geraten sind, besonders bei den Lehrenden, die nicht wirklich eine fundierte Ausbildung in Taijiquan genossen haben, aber bereits zu unterrichten begonnen haben:
1) Den Kopf gerade aufrichten
2) Unten und oben des Körpers koordinieren
3) Die Schultern, Ellbogen und Handgelenke senken
4) Die Brust senken - Rücken dehnen
5) Das Kreuz entspannen
6) Die Leere und Fülle unterscheiden
7) Inneres und Äußeres verbinden
8) Kraft des Geistes statt Körperkraft
9) Die Ruhe in der Bewegung
10) Bewegung ohne Anfang und Ende
Einer der namhaften Schüler von Yang Chenfu war Cheng Manching. Er entwickelte ein Kurzform des Yangstils in 37 Bildern (näheres siehe dort).
Im folgenden nun die Abfolge der 85er Yangform, wie sie im Drachenzentrum unterrichtet wird.
Die Erde
1. Die Vorbereitung (Yu Bei Shi)
2. Der Beginn (Qi Shi)
3. Den Spatzenschwanz fangen (Lan Que Wei)
a Abwehren, links (Zuo Peng)
b Abwehren, rechts (You Peng)
c Zurückgleiten (Lü)
d Vordringen (Ji)
e Stoßen (An)
4. Die einfache Peitsche (Dan Bian)
5. Die Hände heben (Ti Shou Shang Shi)
6. Der weiße Kranich spreizt die Flügel (Bai He Liang Chi)
7. Das Knie streifen, links (Zuo Lou Xi Ao Bu)
8. Die Laute spielen (Shou Hui Pi Pa)
9. Das Knie streifen, links, rechts, links (Zuo You Lou Xi Ao Bu)
10. Die Laute spielen (Shou Hui Pi Pa)
11. Das Knie streifen, links (Zuo Lou Xi Ao Bu)
12. Vorwärtsgehen, parieren und zustoßen (Jin Bu Ban Lan Chui)
13. Wie versiegelt, so verschlossen (Ru Feng Si Bi)
14. Die Hände kreuzen (Shi Zi Shou)
Der Mensch
15. Den Tiger umarmen und zurück zum Berg gehen (Bao Hu Gui Shan)
a Den Tiger umarmen und zurück zum Berg gehen
b Den Spatzenschwanz fangen
16. Die Faust unter dem Ellenbogen (Zhou Di Kan Chui)
17. Rückwärtsgehen und den Affen vertreiben, rechts, links rechts
18. Diagonales Fliegen (Xie Fei Shi)
19. Die Hände heben
20. Der weiße Kranich spreizt die Flügel
21. Das Knie streifen, links
22. Die Nadel auf dem Meeresboden (Hai Di Zhen)
23. Die Arme wie einen Fächer ausbreiten (Shan Tong Bei)
24. Sich umdrehen und mit der Faust schlagen (Pie Shen Chui)
25. Vorwärtsgehen, parieren und zustoßen
26. Vorwärtsgehen und den Spatzenschwanz fangen (Shang Bu Lan Que Wei)
27. Die einfache Peitsche
28. Wolkenhände (Yun Shou)
29. Die einfache Peitsche
30. Hoher schlag aufs Pferd (Gao Tan Ma)
31. Mit der Fußrücken stoßen, links und rechts (Zuo You Fen Jiao)
32. Sich umdrehen und mit der Ferse stoßen, links (Zhuan Shen Zuo Deng Jiao)
33. Das Knie streifen, links und rechts
34. Vorwärtsgehen und mit der Faust herabstoßen (Jin Bu Zai Chui)
35. Sich aufrichten, umdrehen und mit der Faust schlagen
36. Vorwärtsgehen, parieren und zustoßen
37. Mit der Ferse stoßen, rechts (You Deng Jiao)
38. Den Tiger schlagen, links (Zuo Da Hu Shi)
39. Den Tiger schlagen, rechts (You Da Hu Shi)
40. Nach links drehen und mit der Ferse stoßen, rechts (Hui Shen You Deng Jiao)
41. Doppelter Wind in beide Ohren (Shuang Feng Guan Er)
42. Mit der Ferse stoßen, links (Zuo Deng Jiao)
43. Sich umdrehen und mit der Ferse stoßen, rechts (Zhuan Shen You Deng Jiao)
44. Vorwärtsgehen, parieren und zustoßen
45. Wie versiegelt, so verschlossen
46. Die Hände kreuzen
Der Himmel
47. Den Tiger umarmen und zurück zum Berg gehen
48. Die einfache Peitsche, diagonal (Xie Dan Bian)
49. Die Mähne des Wildpferdes teilen, links, rechts, links
50. Den Spatzenschwanz fangen
51. Die einfache Peitsche
52. Das Weberschiffchen in die vier Richtungen schleudern (Yu Nü Chuan Suo)
53. Den Spatzenschwanz fangen
54. Die einfache Peitsche
55. Wolkenhände
56. Die einfache Peitsche
57. Heruntersteigen – Tiefe Schlange (Xia Shi)
58. Der goldene Hahn steht auf einem Bein links und rechts(Jin Ji Du Li)
59. Rückwärtsgehen und den Affen vertreiben, links, rechts, links
60. Diagonales Fliegen
61. Die Hände heben
62. Der weiße Kranich spreizt die Flügel
63. Das Knie streifen, links
64. Die Nadel auf dem Meeresboden
65. Die Arme wie einen Fächer ausbreiten
66. Sich umdrehen, die weiße Schlange zeigt die Zunge
67. Vorwärtsgehen, parieren und zustoßen
68. Vorwärtsgehen und den Spatzenschwanz fangen
69. Die einfache Peitsche
70. Wolkenhände
71. Die einfache Peitsche
72. Den Pferdehals klopfen und mit der Hand zustechen
a Der hohe Schlag aufs Pferd
b Mit der linken Hand zustechen (Zuo Chuan Zhang)
73. Sich umdrehen und das Bein kreuzen (Shi Zi Tui)
74. Vorwärtsgehen und mit der Faust auf den Unterleib des Gegners stoßen
75. Vorwärtsgehen und den Spatzenschwanz fangen
76. Die einfache Peitsche
77. Heruntersteigen (Tiefe Schlange)
78. Hinaufsteigen um 7 Sterne zu bilden (Shang Bu Qi Xing)
79. Zurücktreten und auf dem Tiger reiten (Tui Bu Kua Hu)
81. Den Bogen spannen und den Tiger schießen (Wan Gong She Hu)
82. Vorwärtsgehen, parieren und zuschlagen
83. Wie versiegelt, so verschlossen
84. Die Hände kreuzen
85. Der Abschluss (Shou Shi)
Gitta Fineiß
Lehrerin für Taiji, Qigong und Meditation
Telefon: 035242/ 65250
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